Beschreibung
In der Ausstellung der Schweizer Künstlerin Marta Riniker-Radich im Kunsthaus Glarus (*1982, geboren in Bern, lebt und arbeitet in Frankfurt a.M. und Genf) trifft das Medium der Zeichnung auf installative und textbasierte Werke. Zeichnungen in leuchtenden Farben zeigen fiktive, zeitentrückte Architekturen oder verfremdete und dabei eigentümlich bekannte Dinge in detailgetreuer wissenschaftlicher Präzision. Orte zwischen Geborgenheit und Kontrolle – Einfamilienhäuser, Eingänge, Fassaden, flauschige Interieurs – und Objekte wie Sicherheitsschlösser, dekorierte Cupcakes oder bemalte Eier (über)zeichnen, abstrahieren und kommentieren die uns umgebende Welt. Die Werke von Marta-Riniker Radich basieren auf Recherchen zu Geschichte und Akteuren von real existierenden, teils historischen, sozialen und ökonomischen Gefügen. We, on the Other Hand, Can Do Everything Remotely geht von männlichen Gemeinschaften und «Gruppierungen» der Arbeits- und Freizeitwelt aus und bringt eine Auswahl von Zeichnungen, entstanden in den letzten zehn Jahren, mit neuen, für das Kunsthaus Glarus geschaffenen Werken zusammen. Im physischen Raum der Ausstellung in Glarus suggerieren skulpturale Objekte einen Gebrauch und architektonische Interventionen werden zum Bindeglied zwischen fiktiven und realen Räumen.
Die Zeichnungen von Marta Riniker-Radich zeigen zudringlich domestizierte und dennoch menschenleere Räume; eine Psychogeografie, die sich vom Mensch abstreift und dennoch voller Begehren ist. Es sind (fantastische) Kontrollräume zwischen häuslich-privatem und öffentlichem Raum, in denen die Echos sozialer Gefüge nachklingen. Ein spekulatives «Wir» (We), das in einem spezifischen, soziopolitischen Zusammenhang agiert, lebt, arbeitet, diszipliniert wird, bisweilen an Einsamkeit oder Isolation leidet. Es geht nicht um die Intimität, um private Konsequenz von Zwängen, Obsessionen und Emotionen. Marta Riniker-Radich interessiert sich für die ‹Psychologie› konkreter ökonomischer Zusammenhänge und politisch-gesellschaftlicher Phänomene und Entwicklungen; um ein Spannungsfeld zwischen Pflege und Kontrolle, dem Selbst und Regulationen.
In den letzten Jahren entstanden Werkzyklen etwa zur texanischen Ölindustrie oder zu ländlichen Anti- Regierungsorganisationen in den USA. Obwohl damit verbundene Gruppen und Personen in den Werken selbst nie sichtbar sind, entstehen in der Leere dieser Abwesenheit fiktive Porträts von (männlichen) Individuen, die den neoliberalen Begehren in Arbeit und Freizeit, von Gesundheit und Selbstoptimierung, Selbstverwirklichung unterworfen sind. A highly sophisticated security blanket (2015), eine Serie von präzise abgezeichneten Schwertern, werden Insignien der individualisierten Konsumkultur, die (Sammler-)objekte fetischisiert. Sweat pours onto the dusty ground and turns it into salty muck (2015) zeigt Bohrköpfe für Ölbohrungen. Präzise gezeichnete Schlösser, funktionale Tools zum Schutz des Privaten, werden in The Enemy Within (2017) zu glänzend-schmuckstückhaft überhöhten Objekten, deren Gebrauchsfunktion negiert wird. Die ‹Requisiten› solcher Gesellschaften darstellend, machen diese Zeichnungen, die durch eine aufwändige und disziplinierte Arbeitsweise entstehen, Formen der Konditionierung und des Begehrens deutlich.
Preise
Fr. 8.- / Fr. 5.- reduziert
Letzte Bearbeitung: 14.05.2018