Hanna Johansen, Schweizer Literaturpreisträgerin 2015, liest am 16. April in Rüti

„Es ist nie zu spät, ein Instrument zu erlernen!“ Dies scheint uns Hanna Johansen in ihrem neuesten Roman „Der Herbst, in dem ich Klavier spielen lernte“ vordergründig zuzurufen. Tagebuchartig hält die 75jährige Autorin darin vom 22. September bis 20. Dezember genau  Buch über ihre Fortschritte und Schwierigkeiten mit den Klaviertasten. Tatsächlich hat sie sich im Alter von 71 Jahren noch das Klavierspiel beigebracht.

Doch das Lernen führt sie zurück in frühere Lernprozesse der Kindheit und Jugend. Damals, in der Kriegs- und Nachkriegszeit blieb es der 1939 geborenen Autorin versagt, ein Instrument zu spielen. Zu karg waren ihre häuslichen Verhältnisse im Norden Deutschlands. Der Vater war im Krieg und dann in der Gefangenschaft. Die Mutter musste sich alleine durchschlagen. Sie sei „unter der Nähmaschine ihrer Mutter aufgewachsen“, erzählte Hanna Johansen einmal. Gewohnt und gearbeitet wurde in einem einzigen Zimmer.  Und als alles vorbei war, fanden die Eltern nicht mehr zusammen und der Vater brachte sich einige Jahre später um. - Diese Erinnerungsarbeit ist aber nicht ohne Zweifel und nicht alle Fragen, die sich Hanna Johansen stellt, kann sie noch beantworten. – Als dritte Ebene neben dem Klavierspiel und den Erinnerungen fügt Johansen die Beobachtung Ihres Gartens und ihrer Gartenarbeit im Herbst ein. Das alles ist verbunden mit Fragen um das Alter – eine Thematik, die die Autorin seit langem beschäftigt.  

Der neueste Band von Hanna Johansen reiht sich ein in ein  Oeuvre von annähernd 40 Bänden. Und das Besondere daran: es handelt sich sowohl um Werke für Erwachsene (z. B.  „Lena“,  „Der schwarze Schirm“), wie  für Kinder ("Omps!" - ein Dinosaurier zu viel), wie auch um solche aus Sicht von Tieren („Felis der Kater“).

Hanna Johansen  stammt aus Bremen und lebt seit 1972 in Kilchberg, wo sie mit ihrem damaligen Ehemann, Adolf Muschg, Wohnsitz nahm. Sie arbeitete nach einem USA-Aufenthalt zuerst als Übersetzerin, bis sie für ihre eigenen Kinder Geschichten veröffentlichte und 1978 auch ihren ersten Roman herausgab. Für ihr Werk erhielt sie eine ganze Reihe namhafter Literaturpreise, darunter 1990 den Schweizer Jugendbuchpreis, 2003 den Solothurner Literaturpreis und 2008 den Kunstpreis der Stadt Zürich. Im Februar 2015 durfte sie den Schweizer Literaturpreis des Bundesamts für Kultur entgegennehmen.

Der Herbst, in dem ich Klavier spielen lernte
Lesung mit Hanna Johansen
Buchhandlung Fabula, Rüti