Rolf Hürlimann, Vorstand KlimaGlarus.ch
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Schnell und billig kommt die Welt teuer zu stehen

Am 5. September 2021 hat die Landsgemeinde das neue Energiegesetz nicht nur angenommen, sondern verschärft. Dass bei Neu- und Umbauten keine Ölheizungen mehr eingebaut werden, freut den klimabewegten Teil der Glarner Bevölkerung. Einige stört der progressive Entscheid. Oder anders gesagt: Er führt zu Stress.

Erinnern Sie sich noch, als Glühbirnen verboten wurden? Damals hamsterten die Leute schnell noch die alten Dinger in den Baumärkten. Ein ähnliches Phänomen ist jetzt bei Ölheizungen zu beobachten. Vielleicht erhielten auch Sie Ende Oktober Post mit dem Angebot eines Ölhändlers, den Einbau einer neuen Ölheizung noch vor Inkrafttreten des neuen Energiegesetzes zu prüfen. Die Post traf bei einigen Empfängern ins Schwarze. Vom Run auf neue Ölheizungen ist nicht nur der Kanton Glarus betroffen – auch in St. Gallen oder im Thurgau und über die Ostschweiz hinaus ist das Bestellfieber ausgebrochen.

Wie kommt es zu dieser Hamsterei? Eine nicht geringe Zahl von Schlaumeiern will sich offenbar schadlos halten. Noch bevor die neuen Vorschriften in Kraft treten, ersetzen sie die alte durch eine neue Ölheizung. Damit sollen höhere Investitionskosten für eine erneuerbare Heizung – Wärmepumpe, Sonnenkollektoren, Holz bzw. Pellets – und/oder für eine wirksame Wärmedämmung bis hin zum Null- oder Plusenergiehaus vermieden werden.

Dieser Schuss kann ins eigene Knie gehen. Die Erstinvestition ist zwar bei der Ölheizung deutlich tiefer als bei der Wärmepumpe. Umgekehrt sind aber die Betriebskosten deutlich höher: Energiekosten, Kaminfeger, Feuerschau, Tankrevision und Raum. Über die Betriebsdauer von vielleicht 20 bis 25 Jahre drehen sich die sogenannten «Lebenszykluskosten» der neuen Ölheizung in vielen Fällen ins Negative. Dabei sind die absehbar höheren Preise für Heizöl, nicht zuletzt wegen der Erhöhung von Abgaben, noch nicht einmal berücksichtigt.

Zudem ist das Verhalten unsolidarisch. Es ist der Versuch, auf dem Buckel der Umwelt zu sparen. Hauseigentümer nehmen damit schulterzuckend in Kauf, das Klima während weiteren 20 bis 25 Jahren mit erheblichen Mengen von fossilem CO2 zu belasten. Hauptsache bei ihnen stimmt die Kasse. Die Umwelt und damit das (Über-)Leben von Millionen Menschen auf Inseln, in Ufernähe, in wasserarmen Gebieten usw., aber auch die Zukunft ihrer Kinder und ihrer Enkel scheint ihnen gleichgültig zu sein.

Klar, es gibt die Portemonnaies, die auch mit Förderbeiträgen nicht für eine erneuerbare Heizung reichen. Hier können Wärmeverbünde helfen. Gerade bei alter Bausubstanz, zum Beispiel bei den typischen Glarner Reiheneinfamilienhäusern, liegen gemeinschaftliche und für die einzelne Liegenschaft vergleichsweise günstige Lösungen auf der Hand. Wärmeverbünde können durch die technischen Betriebe, Gewerbe- und Industriebetriebe oder Quartiergemeinschaften initiiert werden.

Für Hauseigentümer, die auch dann noch zu wenig Cash für den erneuerbaren Heizungsersatz haben, sind tatsächlich Massnahmen gefragt, die schnell wirken und sozial abgefedert sind. Dazu gehört der erleichterte Zugang zu günstigen Finanzierungsquellen. Entsprechende Geschäftsmodelle sind bereits in Vorbereitung. Betroffenen von grossen Krisen das notwendige Geld zur Verfügung zu stellen, das haben wir in den letzten Monaten im grossen Massstab geübt. Wenn es in moderaten Raten und tief verzinst über zehn oder zwanzig Jahre zurückzahlbar ist, haben alle Hauseigentümer die Möglichkeit, ihren Beitrag zu netto Null ab dem nächsten Heizungsersatz zu leisten. An diesen Finanzierungslösungen gilt es, politisch schnell und unkompliziert zu arbeiten.

Dieser Beitrag ist heute in den Südostschweiz Glarner Nachrichten in der Rubrik «Dem Klima zuliebe» erschienen.

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KlimaGlarus.ch

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Published on

10.12.2021

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