Handwerk Textilfabrikation
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Textilkunst Freulerpalast
Textilkunst Freulerpalast
Textildruck Susanne Hauser
Textildruck Susanne Hauser
Daniel Jenny und Co
Daniel Jenny und Co
Designkleider mit Textildruck
Designkleider mit Textildruck

Culture

Kulturentwicklung in der Textilindustrie und in der Gesellschaft

Die Textilindustrie im Glarnerland hat eine bewegte Geschichte. Diese ist in die internationale, gesellschaftliche Entwicklung eingebunden

Die Kultur der Textilindustrie im Glarnerland ist von internationalen Erfolgen und Turbulenzen, bis zum Niedergang, gekennzeichnet. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts werden Textilien mit hoher Fachkompetenz und internationalen Kunden und Kontakten hergestellt. Im Glarnerland ist die Industrie zu einem Weltkulturerbe geworden. Daniel Jenny und Co. In Haslen, gegründet 1808, ist ein Erfolgsbeispiel der Textilgeschichte. In den 1830iger Jahren erlebte die Produktion ihren Höhepunkt.  Ab 1840 ist ein scharfer Rückschlag eingetreten. Die Auswanderung der Glarner um 1845 nach den USA, zeigt auf, dass eine schwierige Zeit ausgestanden werden musste. Grund für den wirtschaftlichen Rückschlag war die Erfindung des mechanischen Webstuhls in England.  Der technologische Fortschritt hat die Handarbeit verdrängt und viele Arbeitslose hinterlassen. Die Zeit von 1840 bis 1850 war von „Bitterkeit und Tränen“ charakterisiert.*

Die Arbeitsbedingungen in der Industrie waren miserabel. Erwachsene und Kinder sind in heute kaum vorstellbaren Arbeitsverhältnissen eingebunden. Die Armut hat sich so stark manifestiert, dass die Armen zu „Dieben“ von Nahrungsmitteln geworden sind. Solche Taten sind von einer strengen Justiz abgeurteilt worden. Die soziale Misere hat schliesslich zum Fabrikgesetzt geführt. Das erste Gesetz dieser Art ist in England um 1833 entwickelt worden. Der zeitgenössische Ökonom Nassau William Senior hat vor der Begrenzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden täglich gewarnt, da die Arbeitszeitverkürzung zum Zusammenbruch der Baumwollspinnerei-Industrie führen müsse. Die Entwicklungsfortschritte zwischen 1846 und 1872 sind die Folgenden:

1846:
Verbot der Beschäftigung von Kindern unter 12 Jahren in mechanischen Spinnereien. Gleichzeitig wurden Nachtschichten von höchstens 11 und Tagesschichten von höchstens 13 Stunden erlaubt, verbunden mit einem Arbeitstag mit Obergrenze von 14 Stunden für den Normalarbeitstag.

1848:
Bestätigung dieser Regeln durch die Landsgemeinde

1856:
Ausweitung des Arbeitsverbots für Kinder unter 12 Jahren auf alle Fabrikbetriebe

1858:
Verbot der Sonntagsarbeit

1864:
Begrenzung des Normalarbeitstags auf 12 Stunden und Verbot der Nachtarbeit durch die Landsgemeinde und gegen den Willen der Kantonsregierung

1872:
Die Landsgemeinde beschliesst einen Normalarbeitstag von 11 Stunden

Die gesetzgeberische Entwicklung verläuft parallel mit der Eroberung von Märkten im Orient und in Südosteuropa, auch mit der Gründung von Niederlassungen im Ausland. Die Textilfabrik in Mitlödi hat 1867 390 Arbeiter*innen. Höhepunkte der wirtschaftlichen Entwicklung, die mit den menschlicheren Arbeitsbedingungen nicht Schritt halten konnten. Die mächtige Obrigkeit und rücksichtslose Fabrikherren haben die Szene in der Gesellschaft beherrscht.

Beim Brand von Glarus 1861 werden 2/3 der Häuser zerstört und 47% der Bewohner*innen sind obdachlos. Zu den wenigen Todesopfern gehört die Familie des Präsidenten des Kriminal- und Polizeigerichts, Doktor Johannes Trümpi, der sich als „Scharfrichter im Justizvollzug“ einen zweifelhaften Namen gemacht hat; Schicksal, Rache oder Gerechtigkeit ist die Frage? Trümpi hat seit 1837 fast ein Vierteljahrhundert die Strafjustiz mit eiserner Faust geführt. Sein Tod erscheint als Sühne für die erbarmungslose Härte, mit welcher er die Ärmsten und Schwächsten abgeurteilt hat. *

*Walter Hauser; Bitterkeit und Tränen, Limmat Verlag Zürich, 2002

Der Russisch-Osmanische Krieg und der Erste Weltkrieg 1914 bis 1918 hat die Textilindustrie auf eine harte Probe gestellt. Flexibilität  bezüglich neue Märkte und Produkte war gefordert. Der Weltkrieg verhindert die Verbindungen zu internationalen Märkten. Die folgende Rezession liess die Aufträge zurückgehen. 1935 wurde die Textilfabrik Mitlödi geschlossen. Doch schon um 1937 neu eröffnet als Seidendruckerei Mitlödi AG. Der Siebdruck wurde eingeführt und man druckte in Mitlödi ohne Entwurfsabteilung. Die Kunden rekrutierten sich vor allem aus der Schweiz; Gross-Händler in St. Gallen und Zürich. Sie lieferten die zu bedruckenden Gewebe und Dessins. Mitlödi erstellte die nötigen Siebdruckschablonen und führte die Kolorierungen durch. 10 Jahre nach der Gründung der neuen Fabrik sind schon 120 Arbeiter*innen beschäftigt.

Die „goldigen 20iger Jahre“ fallen in diese Zeit. Der Begriff veranschaulicht den Wirtschaftsaufschwung und steht für eine Blütezeit der Kunst, Kultur und Wissenschaft. Diese endet aber um 1929, als die Weltwirtschaftskrise ihre Auswirkungen hatte. In Deutschland pusht sich Hitler, der gescheiterte Kunstmaler und demagogische Prediger, 1933 an die Macht. Der Nationalsozialismus ist geboren. Der Weltkrieg wird an verschiedenen Fronten geführt und Deutschland geht 1945 im Russischen Feldzug unter. Hitler, der von seinem Leibarzt mit Opiaten versorgt wird, nimmt sich 1945 mit Eva Braun, das Leben. Die Aufteilung Deutschlands führt zu einer neuen geopolitischen Situation in der Welt. Der Wiederaufbau Europas, mit amerikanischen Finanzierungen zum Eigennutz, führt zu neuen, wirtschaftlichen Entwicklungen, die langfristig Wohlstand bringt.

Die Jugendkultur wird 1964 stark von den Beatles geprägt. Ihre unkomplizierte Art und die komponierten Songs treffen bei den Jungen den Nerv der Zeit. Die Eroberung der amerikanischen Jugend ist beispiellos und fällt in die Zeit der Rassenunruhen. Sie erreichen, dass bei einem Konzert in Cincinnati Schwarze und Weisse ungetrennt ins Stadion dürfen. Die Rassenunruhen sind 1968 überschattet von den Morden an Martin Luther King und Bob Kennedy. Der weltweite Protest gegen die Vietnamkrieg ist mit der Hippie-Kultur und der Flower-Power-Bewegung in Verbindung.

Die Mitlödi AG übernimmt 1968 die Produktion und die Kunden von VFA Thalwil. Der Umsatz der Seidendruckerei Mitlödi AG verfünffacht sich. Die Produkte sind von der Haute Couture in Paris, Rom und Mailand gefragt.

1980 folgen Jugendunruhen einer Jugend, die aus Langeweile Scheiben zerschlagen und ein autonomes Jugendzentrum fordern. Ursprung war der Kulturbeitrag für das Opernhaus in Zürich. Die Auseinandersetzungen mit der Polizei sind so intensiv, wie das im biederen Zürich noch nie gesehen worden ist.

Der Wettbewerb in der Textilbranche im Bereich der Damenbekleidung ist mit starkem Druck auf die Preise verbunden. Osteuropäische und asiatische Druckereien etablieren sich. Die Ignoranz wichtiger Trends, beispielsweise Polyester und Viskose hinterlässt seine Spuren. Mitlödi konzentriert sich auf die Einrichtungsbranche mit dem neuen Namen „Mitlödi Textil AG“ mit der Ausrichtung auf neue Märkte in den USA, Japan und Europa. Die Kooperation mit Gessner, 1981, in Wädenswil eröffnet neue Absatzmärkte. Selbst die Einführung des Euro mit dem starken Franken und dem schwachen Dollar schmälert die Entwicklung nicht.  Es entwickelt sich eine erfolgreiche Zusammenarbeit, die zur Übernahme führt, weil in Mitlödi keine Nachfolge geregelt ist. Leider wird nach 280 Jahren geschäftlicher Tätigkeit die Mitlödi Textil AG, mit 33 Mitarbeitenden am 8.5.2020 geschlossen. Es bleibt die Hoffnung, dass das kulturelle Erbe der Textilwirtschaft erhalten werden kann. **

**Bettina Giersberg, Urs Spuler; Textildruck-Ära in der Ostschweiz endet, Region 2.6.2020

Der Freulerpalast plant einen Innenausbau, bei welchem die Erinnerung an die Textilwirtschaft erhalten werden soll. Die Darstellung der Geschichte der Textilindustrie findet breite Beachtung. An der Landsgemeinde 2020 wird über den Kredit zum Innenausbau debattiert. Die Künstlerin Susanne Hauser hat zur Textilwirtschaft 20 Dessins entwickelt, die als Druck auf 20 Metern an der Design Woche 2013 in Florenz und 2015 im bickelmuseum gezeigt worden sind. Später sind aus dem Tuch Designkleider entwickelt worden. Der folgende, kuratorische Text zur Werkreihe „Flowers in Love“ knüpft an die Industriegeschichte auf der gesellschaftlichen Ebene an: „Die Blume als starkes Symbol für Werden und Vergehen ist mit Gedanken an jene verbunden, die sich nicht entfalten können, deren Aufblühen erstickt wird, die von unzumutbaren Lasten niedergedrückt werden. In Erinnerung an die Arbeitsbedingungen in der frühen Glarner Textilindustrie, wo ein wegweisendes Fabrikgesetz aufgrund des Protests der Arbeiterschaft entstanden ist, wurde Flowers als Textilarbeit umgesetzt, indem die Zeichnungen aneinandergereiht auf 20 Meter Satin gedruckt wurden“.

Bis heute werden in Haslen mit 60 Mitarbeitenden Gewebe für Heimtextilien als Bett-, Tischwäsche, Dekorationsstoffe, als Bekleidung oder Hygieneartikel auf komplexen Webmaschinen hergestellt. Im In- und Ausland wird mit Direktverbrauchern, der Industrie oder mit Ausrüstern und Händlern zusammengearbeitet. Die Firma arbeitet an den Standorten Haslen, Aarburg und bei der Tochter Ernst Brunner AG in St. Gallen. Offenbar ist es Daniel Jenny und Co. Gelungen sich immer wieder an die wechselnden Herausforderungen in der Wirtschaft anzupassen.

Als Fazit gilt: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“. Die Kulturgeschichte der Glarner Textilindustrie zeigt ein Wechselbad des Auf und Ab in der Entwicklung von Industrien. Für Firmen ist wichtig, dass sie eine langfristige Strategie entwickelt haben, die Erfolgspositionen sichtbar macht, diese richtig einschätzt und umsetzt. Die Erfolgspositionen erfordern Flexibilität bei der Anpassung an  die sich wandelnden Trends, an neue nationale und internationale Märkte mit Potenzial  und die neu aufkommenden Technologien. Die Fähigkeit Zeichen der Zeit und Widersprüche zu erkennen, gehört zu den Grundtugenden erfolgreicher Geschäftsführung. Das Ausruhen auf den Erfolgen der Vergangenheit führt in einen Dämmerzustand, der den Niedergang von Firmen einläutet. Immer geht es um die menschliche und faire Behandlung der Mitarbeitenden; fair zu den Menschen und konsequent in der Sache ist die Losung. Die menschliche Würde und der Respekt sind die zentralen Werte erfolgreicher Unternehmensführung. Man muss Menschen mögen, ist die gültige Devise.

Eduard Hauser

Autor

Kulturblogger Glarus

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Hauser Eduard
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  • Culture

Publié à

19.08.2020

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