Walter Steinmann, ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE) und Lisa Hämmerli von der Klimabewegung Glarus.
Walter Steinmann, ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE) und Lisa Hämmerli von der Klimabewegung Glarus.

Politica, Scienza, Società & persone

Neuer Schwung in der internationalen Klimapolitik

Der Briefwechsel zweier Klimabewegter – zwischen Lisa Hämmerli schreibt an Walter Steinmann – erscheint derzeit auf www.powertage.ch.

Liebe Lisa

Wir haben uns im Juni 2020 kennengelernt. Ihr von der Glarner Klimajugend hattet mich eingeladen, mit Euch zwei Tage lang über mögliche Klima- und Energie-Projekte im Kanton Glarus zu diskutieren. Ziemlich erstaunt war ich, als auf dem Programm nicht nur Begegnungen mit Aktivist:innen sondern auch mit zwei Vertretern der Regierung standen.

Die Klimajugend im Kanton Glarus versteht sich eben nicht nur als Protestgruppe, die mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf ihre Anliegen aufmerksam machen will. Nein, sie ist eben auch eine Organisation, die im Kanton Glarus sehr pragmatisch konkrete Fortschritte erreichen will. Deshalb setzt sie sich mit dem Establishment zusammen, unterstützt die Weiterentwicklung des Energiegesetzes und pflanzt auch mal Jungbäume im Schutzwald.

Der Grossteil der Klimajugend ist für das CO2-Gesetz

Doch in den vergangenen Wochen ging es weniger um die kantonale Energie- und Klimapolitik. Nein, die Debatten drehten und drehen sich recht lebhaft um die nationale Abstimmung über das CO2-Gesetz. Ich habe meine Position in einem Brief dargelegt, der innert kurzer Zeit über 6000 mal alleine über Linkedin angeklickt wurde. Ich freue mich, dass die meisten regionalen und lokalen Gruppen der Klimajugend dieses Gesetzes unterstützen, denn es ermöglicht erste wichtige Schritte auf dem Weg zu Netto-Null. Auch wenn wir wissen, dass später weitere folgen müssen.

Die Schweiz allein auf weiter Flur?

Während bei uns auf der nationalen Bühne die klimapolitische Post abgeht, gibt es aber auch wichtige Entwicklungen auf der internationalen Ebene. Nicht wenige Schweizer:innen fragen mich vor dem Urnengang, ob denn neben der Schweiz auch andere Nationen etwas gegen den Klimawandel tun. Ja, das tun sie. Ein von Joe Biden Ende April lancierter digitaler Klimagipfel hat dafür gesorgt, dass sich nun viele Regierungen mit griffigen Konzepten und Massnahmen profilieren wollen. Man spricht gar von einem eigentlichen Klimaretter-Hype, der nicht wenige Staatschefs erfasst haben soll.

Der neue Kampf zwischen USA und China um global Leadership

Denn es wird immer klarer: Der neue wirtschaftliche Wettkampf zwischen USA und China wird auf dem Feld der Klimapolitik ausgetragen. Die USA tun alles, um in diesem Wettstreit um erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu gewinnen. Sie setzen dazu auf ein breites Set von Instrumenten in der Forschung- und Technologiepolitik. Sie lassen aber auch die Muskeln in der Aussenwirtschaftspolitik spielen. Länder, die keine CO2-Reduktionsmassnahmen ergreifen und beispielsweise weiterhin Kohlekraftwerke ohne CO2-Abscheidung in Betrieb nehmen, werden von der amerikanischen Handelspolitik mit Zöllen und anderen Nachteilen bestraft. Und die Resultate sprechen für sich: Nun wird in der EU plötzlich eine Reduktion der CO2-Emissionen um 55% bis 2030 möglich, weil auch die USA ihren Ausstoss bis 2030 gegenüber 2005 um 50% senken wollen.

Gemäss IEA ist das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichbar

Die Internationale Energieagentur (IEA), in deren Verwaltungsrat ich lange Jahre die Schweiz vertreten durfte, hat einen neuen Bericht publiziert. Der zeigt auf, wie das Netto-Null-Ziel bis 2050 international erreicht werden kann. Lange Zeit war die IEA, die ja die Interessen der ölimportierenden Industrienationen bündelt, als sehr ölfixiert verschrien. Doch spätestens jetzt kann ihr das niemand mehr vorwerfen. In ihrem Bericht zeigt sie klar auf, dass die Priorität auf dem Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der Energieeffizienz liegen muss und dass Wasserstoff eine wichtige Rolle in der Transformation spielen könnte. Nötig sind auch höhere Budgets für Forschung und Entwicklung im Bereich Clean Energy aber auch eine verstärkte internationale Kooperation, um Versorgungsrisiken zu mindern und die Kräfte in dieser Transitionsperiode zu vereinen. Zudem fordert die IEA, dass sich die nationalen Regierungen intensiver mit den Risiken der Versorgungssicherheit auseinandersetzen und Marktkonzentrationen, kritische Rohstoffe sowie Schwächen des Stromsystems auf dem Radar haben.

Liebe Lisa,

auch international stehen die Weichen also auf Clean Energy und Netto-Null. Die Schweiz ist nicht allein, sondern ist Teil einer grossen Zahl von Ländern, die sich zu diesen Zielen bekennen. Ich bin gespannt, ob auch bald die Wirtschaft der Koalition der Überzeugten beitritt und ihren Innovationsturbo in Richtung Klimaneutralität zünden wird.

Die Abstimmung vom 13. Juni bietet hierfür die Chance. Das revidierte CO2-Gesetz rollt für die schweizerische Wirtschaft – von den KMU über die Elektrizitätsunternehmen bis hin zu den Versicherungen und Banken – den roten Teppich aus, auf dem ihnen für ihre starken Beiträge zur CO2-Reduktion auch die Klimajugend applaudieren wird. Und in einer solch breiten Koalition wird die Schweiz auch im internationalen Vergleich zu den globalen Leadern gehören.

Ich wünsche Dir eine gute Woche und freue mich, nächsten Montag – noch vor dem Digital-Event der Powertage – von Dir zu hören.

Herzliche Grüsse aus Bern

Walter Steinmann

#klimaglarus

Über die Schreibenden:

Dr. Walter Steinmann, *1951, ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE, 2001-2016), ist Leiter des Advisory Board der Powertage und unabhängiger Berater verschiedener Projekte. Er engagiert sich für Start-ups und hilft mit Innovationen voranzubringen und die Transition im Energiesektor effizient zu gestalten. www.steinmannconsulting.ch

Lisa Hämmerli, *1993, ist im Glarnerland aufgewachsen und hat an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften studiert. Anschliessend arbeitete sie an der ETH als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Wahrnehmungsforschung zu negativen Emissionstechnologien. Heute arbeitet sie in einem Ingenieurbüro, welches auf Abbau- und Deponieprojekte spezialisiert ist. In ihrer Freizeit engagiert sie sich bei der Klimabewegung in Glarus. Als Co-Präsidentin von KlimaGlarus.ch setzt sie sich für mehr Klimaschutz ein. www.klimaglarus.ch

Autor

KlimaGlarus.ch

Categoria

  • Natura
  • Società
  • Altra politica

Pubblicato alle

07.06.2021

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www.guidle.com/jDL8eD