Weg von Forschung, hin zu sozialen Innovationen

Der Briefwechsel zweier Klimabewegter –  Lisa Hämmerli schreibt an Walter Steinmann – erscheint derzeit auf www.powertage.ch.

Liebe Lisa

Schön zu hören, dass Du ebenfalls in Kontakt mit der Initiative Klimaspuren warst und die Teilstrecke Solothurn – Burgdorf mitgewandert bist. Auch ich habe die Gruppe getroffen, als sie in Langenbruck das Ökozentrum besuchte. Wie Du weisst, bin ich Präsident des Stiftungsrates dieser Institution, die letztes Jahr 40 Jahre alt wurde. Die Gründergeneration des «Öki» hat in den ersten Jahren viele Pioniertaten vollbracht. Sie errichtete das erste Windkraftwerk in der Schweiz, sie entwickelte Solarmodule sowie Solarkocher für den Einsatz in Entwicklungsländern, sie schuf die Basis für das Label Energiestadt und sie thematisierte früh die Elektromobilität.

Weg von Forschung, hin zu sozialen Innovationen

Durch die Fragestellungen rund um den Klimawandel sind die Forschungskapazitäten in den Bereichen nachhaltige Entwicklung und erneuerbare Energien in den letzten Jahren stark ausgebaut worden. Beinahe jede Hochschule und Fachhochschule arbeitet heute mit grösseren Teams industrienah an klimatauglichen Lösungen. Diese neuen Player können weit grössere Risiken als das Ökozentrum eingehen. Denn hinter ihnen stehen grosse staatsnahe Institutionen, die Verluste hinnehmen und grössere Defizite ausgleichen können. Das Ökozentrum wird deshalb seinen Fokus vermehrt auf soziale Innovationen legen und Bildungsangebote für Schulen, Gemeinden und die Wirtschaft entwickeln. Dabei wollen wir uns mit erlebnisorientierten und technologieaffinen Angeboten profilieren.

Die Kommunen können viel bewirken

Diese aktuelle Neuausrichtung und auch die Geschichte des Ökozentrums haben wir den Wanderer*innen der Klimaspuren präsentiert. Einige von ihnen waren in den Siebzigerjahren bei der Besetzung von Kaiseraugst und den Demonstrationen von Gösgen dabei. Vieles hat sich seither in Wirtschaft und Gesellschaft verändert.

Hans Weber, Gemeinderat von Langenbruck, stellte den Klimawanderer*innen ein ambitiöses kommunales Projekt vor: Um neue Einwohner*innen anzuziehen, soll in der Gemeinde über einen Quartierplan neuer Wohnraum geschaffen werden. Das Quartier soll barrierefrei, die Gebäude aus Holz gefertigt und die Energieversorgung vollständig erneuerbar sein. Die Auswirkungen des Klimawandels und der Umbau der Energieinfrastruktur haben eben eine starke kommunale Komponente. Das Foto zeigt die aktiven Personen der Klimaspuren-Veranstaltung in Langebruck. Toll, dass mein langjähriger Freund Köbi Gantenbein, der mit mir zu den Gründern des Design Preis Schweiz zählt, auch eine der Leadfiguren der Klimaspuren-Initiative ist.

Sind Klimaneutralität und Netto-Null in den Pensionskassengremien ein Thema?

Ja, Du hast recht. Die Pensionskassen wie auch die anderen institutionellen Anleger sind ein wichtiger Treiber im Kampf gegen den Klimawandel. Larry Fink, CEO und Chairman des grössten institutionellen Anlegers Black Rock, hat sich vor kurzem zu einer umfassenden Verpflichtung zur Klimaneutralität und Netto-Null bekannt. Er hat die Firmen auch aufgerufen, einen Plan vorzulegen, wie sie ihr Geschäftsmodell an eine klimaneutrale Wirtschaft anpassen wollen. Dabei legt er grossen Wert darauf, dass in den Nachhaltigkeitsberichten auch die Fortschritte auf der Personalseite mit den Dimensionen Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion dargestellt werden. Das sind erfreuliche Entwicklungen in der Wirtschaft. Sie sollten oder müssten im Sinne der oft beschworenen unternehmerischen Eigeninitiative oder Sprüchen wie „der Markt wird es schon richten“ noch breiter ausstrahlen. Ob sie wohl schon in den Gremien der schweizerischen Pensionskassen angekommen sind?

Keine Investitionen in Erneuerbare ohne Rendite

Ich bin ja als Senior Advisor bei Energy Infrastructure Partners engagiert. Das ist eine Gruppe, die für Pensionskassen Investitionen in erneuerbare Energien tätigt. Ob Windparks in Norwegen, grosse Solaranlagen in Italien oder der Slowakei, Wasserkraftwerke in der Schweiz oder solarthermische Kraftwerke in Spanien: Sie alle sind im künftigen Energiemix sehr willkommen. Doch Pensionskassen müssen letztlich Renten auszahlen. Ihre Investitionen müssen also Rendite abwerfen. Es ist ein oft komplexes Puzzle, um allen Interessen gerecht zu werden. Staatliche Regulierung spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Und die Akteure müssen sich bewusst sein, dass die erneuerbaren Energien längst aus dem Pionierstadium heraus sind und die Businesspläne ähnliche Renditen aufzeigen müssen wie Investitionen in jede andere Branche. Wo ist eigentlich die Pensionskasse Deines Arbeitgebers investiert?

Liebe Lisa, ich wünsche Dir jetzt schöne Ferien. Und freue mich bereits auf das Wiedersehen an der Glarner Landsgemeinde vom 5. September.

Herzliche Grüsse
Walter

Über die Schreibenden:

Dr. Walter Steinmann, *1951, ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE, 2001-2016), ist Leiter des Advisory Board der Powertage und unabhängiger Berater verschiedener Projekte. Er engagiert sich für Start-ups und hilft mit Innovationen voranzubringen und die Transition im Energiesektor effizient zu gestalten. www.steinmannconsulting.ch

Lisa Hämmerli, *1993, ist im Glarnerland aufgewachsen und hat an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften studiert. Anschliessend arbeitete sie an der ETH als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Wahrnehmungsforschung zu negativen Emissionstechnologien. Heute arbeitet sie in einem Ingenieurbüro, welches auf Abbau- und Deponieprojekte spezialisiert ist. In ihrer Freizeit engagiert sie sich bei der Klimabewegung in Glarus. Als Co-Präsidentin von KlimaGlarus.ch setzt sie sich für mehr Klimaschutz ein. www.klimaglarus.ch

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