Edith Schindler, Pflanzenwerk, 2017, Acryl auf Leinwand, 2 Teile, Courtesy the artist. Foto: CE
Edith Schindler, Pflanzenwerk, 2017, Acryl auf Leinwand, 2 Teile, Courtesy the artist. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Sibyl Rezgueni, Heaven metal, 2020, Assemblage / Psychogramm, 2020, Assemblage / Antagonisten, 2017, Assemblage, Courtesy the artist. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Sibyl Rezgueni, Heaven metal, 2020, Assemblage / Psychogramm, 2020, Assemblage / Antagonisten, 2017, Assemblage, Courtesy the artist. Foto: CE
Sibyl Rezgueni, Heaven metal, 2020, Assemblage, Courtesy the artist. Foto: CE
Sibyl Rezgueni, Heaven metal, 2020, Assemblage, Courtesy the artist. Foto: CE
Sibyl Rezgueni, Psychogramm, 2020, Assemblage, Courtesy the artist. Foto: CE
Sibyl Rezgueni, Psychogramm, 2020, Assemblage, Courtesy the artist. Foto: CE
Sibyl Rezgueni, Antagonisten, 2017, Assemblage, Courtesy the artist. Foto: CE
Sibyl Rezgueni, Antagonisten, 2017, Assemblage, Courtesy the artist. Foto: CE

Art / design

«Kunstschaffen Glarus 2020»: Nachbarschaften im Kunsthaus Glarus

In der Ausstellung «Kunstschaffen Glarus 2020» sind derzeit die Arbeiten von Sibyl Rezgueni im Seitenlichtsaal in sichtbarer Nachbarschaft zu den Arbeiten von Edith Schindler installiert. Dieser nachbarschaftlichen Beziehung widmet Sibyl Rezgueni ihren Beitrag.

Ein Blick auf die blühende Natur. In satten Farben, im hellen Licht und doch ganz ohne Schatten ist der Moment der vollen Lebenskraft eingefangen. Unversehrte Nelken da, Wiesenblumen dort, nur einige am Verblühen. Auf zwei Leinwände gebannt ist der Moment, der uns der liebste ist; das Dasein in vollendeter Schönheit, in Gesundheit und weit herumstrahlender Energie, von dem die Betrachtenden den Blick kaum abwenden wollen. Die Seelen der Blumen berühren die unsere.

Blätter, Blüten, Stängel, Staubfäden. Sie finden sich in ihrem natürlichen Habitat. Es ist zusammen, was zusammen gehört. Die Ausschnitte sind so gewählt, dass wir auf der einen Seite die Fortsetzung der Blütenpracht erahnen können, gegenüber aber schauen wir vom äusseren Rand her darauf. Wir stehen nicht mitten drin und trampeln die Pflanzen platt. So respektvoll sich die Malerin Edith Schindler ihnen genähert hat, so sorgsam nähern wir uns als Betrachter, Insekten gleich, die auf der Suche nach Nektar sind. Auf den Bildern fehlen diese gänzlich. Die Farben locken wohl, doch vielleicht verströmen die Blüten keinen Duft. Es findet sich auch keine Erde, Schmutz oder Staub. Die Künstlerin hat sie wohl weggelassen, um sich ganz auf die Pflanzen konzentrieren zu können. Wir wissen nicht, ob die Nelken ihrer Wurzeln bereits beraubt sind und in einer Vase stehen. Bei den Wiesenblumen scheint dies eher nicht der Fall zu sein. Wir wissen um die nährende Erde, darum denken wir sie uns für die Blumen dazu.

Präzise, klare, geometrische, quadratische Flächen bilden den Hintergrund. Ebenso scharf wurde der Pinsel geführt. Es gibt nur exakt gezogene Linien, reine Formen, keinerlei Unschärfen. Selbst in der Tiefe bleibt Klarheit.

Vor und während dem Abbilden der Natur war alles lebendig. Und nach dem Festhalten des blühenden Moments setzte sich das Leben fort. Weder auf das Entstehen noch auf das Vergehen wird gezoomt. Das Vergehen wird uns nicht zugemutet.

Die Nelke ist eine symbolträchtige Blume. Sie ist sowohl am Revers, auf Nationalfahnen, wie auf Särgen zu finden. Die getrockneten Knospen verleihen gewissen Speisen eine eigene Note und sie verteilen in Zitrusfrüchte gesteckt, einen wohltuenden Duft in den Räumen. Die Blume ist ein Symbol für den Sozialismus, aber auch ein Zeichen für die Liebe, die Ehe und für Maria und die Leiden Christus. Um der Diktatur in Portugal ein Ende zu setzen, wurde sie eines Tages auf die Gewehrläufe der Revolutionäre gesteckt.

Dort, wo das diesseitige Leben scheinbar zu Ende ist, entsteht eine neue Berechtigung auf ein Dasein. Darum geht es mir. Solange über etwas gesprochen wird, solange etwas berührt wird, solange wird die Geschichte weiter gehen. Denn es gibt kein Leben ohne seine Geschichte, selbst wenn sie noch so kurz ist. Wenn Geburt und Tod scheinbar zusammenfallen, ist da trotzdem noch eine Spanne Leben, wahres, gelebtes Dasein dazwischen.

Tote - sich selbst konservierte - Organismen, Teile nur davon; Knochen, Federn, Holz, Häute, Felle, Frösche, Fliegen, Flügel, Muscheln, Haare, Stacheln, Baumwolle, Metalle, Hanf.

Die Einzelteile, neu zusammengefügt, in eine Geschichte eingebunden, so schenke ich neues Leben. In meinen Arbeiten geht es mir immer darum, die zurückgelassenen Hüllen neu zu beleben, ich schenke den von mir geschaffenen Wesen wieder eine Seele.

In der lebendigen Natur kommen alle Farben vor, die man sich vorstellen kann. Nach dem Sterben aber sind es diese, die zuerst verschwinden. Sie verwandeln sich in bleiche, graue und braune Töne. Selbst das Blut wird braun, wenn es austritt und nicht mehr im Körper drin fliesst. So sind denn auf den beiden äusseren Werken fast keine Farben zu finden.

Ich male nicht. Ich arbeite mit Nadel und Faden. Alles, was ich für meine Bilder brauche, habe ich gefunden. Auch Fäden und Schnüre. Ich lese auf, was ich auf meinen Spaziergängen und Wegen finde. Diese Fundsachen sind einerseits menschengemachte ausrangierte Alltagsdinge wie auch organische Überreste einstigen Lebens. Ich hebe sie auf und trage sie nach Hause. Ich nenne sie Weggut.

Ihr Lebenszyklus ist noch nicht zu Ende. Solange sie sicht- und greifbar sind, haben sie ein Dasein. Sie erzählen eine Geschichte, jene, von der Zeit davor, ehe ich sie zu mir genommen habe. Manches bleibt stumm. Wie auch immer, sobald ich die einzelnen Stücke zusammenbringe, entstehen neue, noch nie erzählte Geschichten. und da das Leben an sich nicht ungefährlich ist, da es Schmutz und Unschärfen gibt, starten die neuen Erzählungen mitten in existentiellen Momenten. Gefahren und Ungewissheiten säumen die Wege meiner neu geschaffenen beseelten Wesen.

In diesem Dialog stehen meine Werke zu denen von Edith Schindler. Auf der einen Seite die satte, farbige, exakte, vergrösserte, schöne, intakte und idealisierte Natur, festgebannt in dem Moment des kraftvollsten Daseins. Danach folgt der Zerfall.
Auf der anderen Seite «farblose» Reste von Leben, totes Material, versehrte Dinge neu zusammengefügt und so in Szene gesetzt, dass es hier weiter geht.

Diese Gegensätze gefallen mir sehr. Es sind zwei völlig verschiedene Blickwinkel. Und dazwischen ist viel Raum, physisch wie auch gedanklich und emotional.



Autorin: Sibyl Rezgueni
Idee und Redaktion: Anne Gruber, Kunstvermittlung Kunsthaus Glarus

«Kunstschaffen Glarus» findet alle zwei Jahre statt und bringt unjuriert verschiedene künstlerische Positionen mit Bezug zum Glarnerland zusammen. Weitere Ausstellungsansichten oder Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der Webseite des Kunsthaus Glarus. Die Ausstellung «Kunstschaffen Glarus 2020» wird bis zum 14.03.2021 verlängert.

Autor

Kulturblogger Glarus

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Category

  • Art / design

Published on

08.02.2021

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