Paul Nievergelt, seite an seite, 2019, Acryl und Emulsion auf Leinwand / tänzerisch, 2019, Acryl und Emulsion auf Leinwand / nachfolgend, 2019, Acryl und Emulsion auf Leinwand / eleganz, 2019, Acryl und Emulsion auf Leinwand, Courtesy the artist. Foto: CE
Paul Nievergelt, seite an seite, 2019, Acryl und Emulsion auf Leinwand / tänzerisch, 2019, Acryl und Emulsion auf Leinwand / nachfolgend, 2019, Acryl und Emulsion auf Leinwand / eleganz, 2019, Acryl und Emulsion auf Leinwand, Courtesy the artist. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Marco Russo, Plasma, 2020, Öl auf Leinwand, 5 Teile, Courtesy the artist. Foto: CE
Marco Russo, Plasma, 2020, Öl auf Leinwand, 5 Teile, Courtesy the artist. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE
Kunstschaffen Glarus 2020, Kunsthaus Glarus, 2020–2021, Installationsansicht. Foto: CE

Kunst / Design

«Kunstschaffen Glarus 2020»: Nachbarschaften im Kunsthaus Glarus

In der Ausstellung «Kunstschaffen Glarus 2020» sind derzeit die Arbeiten von Marco Russo im Obergeschoss in sichtbarer Nachbarschaft zu den Arbeiten von Paul Nievergelt installiert. Dieser nachbarschaftlichen Beziehung widmet Marco Russo seinen Beitrag.

Paul Nievergelt zeigt uns vier Gemälde auf Leinwand in einem quadratischen Format. Die Malerei mit dem Titel «Seite an Seite» hat ein grösseres Format und ist distanziert von den anderen drei kleineren Werken «tänzerisch», «nachfolgend» und «eleganz» gehängt. Bei allen vier Arbeiten handelt es sich um abstrakte Malereien.
Das grössere Werk zeigt auf weissem Grund schwarzen Formen. Die Farben der drei kleineren Gemälde scheinen sich von links nach rechts zu erwärmen. Sie wechseln von Weiss und Schwarz, zu Gelb und Schwarz, zu einem hellen Orange und Schwarz bis zu einem dunkleren Orange mit Schwarz. Diese Dramaturgie der Farben erinnert mich an die allgegenwärtige Klimaerwärmung und daran, wie sie uns mittels farbigen Temperaturskalen und grafischen Darstellungen vermittelt wird.
Doch bevor ich weitere Interpretationen anstelle, schaue ich mir die Bilder in naher Distanz an. Die Farbe ist monochrom und fast spurlos aufgetragen. Ich erkenne keine Pinselstriche. Die Oberfläche hat eine flache Struktur, an der sich nichts reiben kann, wodurch sich der Künstler fast von der Leinwand tilgt. Mir gefällt dabei das Wort «Inhuman», das ich von dem Philosophen Jean-Francois Lyotard kenne. Der Farbauftrag stellt Fragen: Könnte es auch von einer Maschine in einem industriellen Prozess produziert worden sein? Diese Art von Farbauftrag, ohne erkennbaren Duktus, verstärkt die Intensität der Farben, erinnert aber auch an Grafiken, was mich wieder zu den Temperaturskalen und Darstellungen aus der Meteorologie zurückführen lässt. Der Farbauftrag hinterfragt die Präsenz des Menschen auf unserer Welt.
Ich schaue mir die Komposition nochmal genauer an: alle vier Gemälde bestehen aus jeweils zwei Farben. Je eine Farbe (Weiss, Gelb, hell und dunkel Orange), die den Grund bespielt und die schwarze Farbe, die Formen auf diese Fläche setzt. Die satten Farben Weiss, Gelb, hell und dunkel Orange, grenzen sich ganz klar von den schwarzen Formen ab. Diese dunklen Formen berühren sich nicht. Es entstehen dynamische Zwischenräume und Unterteilungen auf der farbigen, inhumanen, monochromen Fläche. Bewegen sich die Formen oder sind sie statisch? Die Formen fangen ausserhalb des Bildes an und verschwinden wieder aus der Bildfläche. Haben Sie einen Anfang und ein Ende? Wohin führen diese Formen? Darf man sich die schwarzen Elemente gar alle zusammen verbunden vorstellen? Der Ausdruck «Spekulation» passt auch ganz gut. In diesen Gemälden darf ich mir die komplette Form und deren Verlauf selber weiterdenken. Die dunklen Formen erinnern an Schatten. Oder sind es Flüsse? Oder Strassen? Wenn es ein Fluss oder ein Weg ist – wohin führt dieser? Es scheint mir, als könnten die drei Gemälde auch als Ausschnitte eines grösseren Bildes gelesen werden. Ausschnitte aus Google Maps? Bilder von Satelliten aus dem Weltraum? Die Malerei erinnert mich u.a. an von oben betrachteten Landschaften. Diese erzählen von Lebewesen, die Seite an Seite miteinander leben, von tänzerischen Einlagen und Freude, von nachfolgenden Spekulationen und der Eleganz der Bewegungen auf dem Planeten Erde. Es wird immer wärmer, sicherlich auf dieser Malerei. Und bei uns? Werden auch wir Menschen von der Bildfläche elegant hinweggefegt? Verschwinden all unsere Spuren, weil wir nicht auf unseren Planet achten?
Ist die Arbeit von Paul Nievergelt nicht bloss Farbe auf einer zwei dimensionalen Fläche? Doch, aber seine Malerei ist ein «Vehikel» um über das «Jetzt» nachzudenken. Ein Ort um über unser Dasein zur reflektieren.


Autor: Marco Russo
Idee und Redaktion: Anne Gruber, Kunstvermittlung Kunsthaus Glarus

«Kunstschaffen Glarus» findet alle zwei Jahre statt und bringt unjuriert verschiedene künstlerische Positionen mit Bezug zum Glarnerland zusammen. Weitere Ausstellungsansichten oder Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der Webseite des Kunsthaus Glarus. Die Ausstellung «Kunstschaffen Glarus 2020» wird bis zum 14.03.2021 verlängert.

Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Kunst / Design

Publiziert am

11.02.2021

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